Die Musik des Kölner Quartetts um Kontrabassistin Hendrika Entzian lockt mit akustischen Klängen, songartigen Strukturen und melodischen Bögen. Detailscharf changiert die Band zwischen Komposition, Interaktion und Improvisation. Die facettenreichen Musik wirkt gleichzeitig modern und zeitlos. Bewusst setzt sich das Quartet von kurzlebigen Trends ab und vereint unaufdringliche Eleganz und subtile Energie.
Ganz frisch! Bei ihrem Konzert in Erftstadt präsentieren sie ihre neue CD Pivot, die im Mai erschienen ist.
Kölner Szene vom Allerfeinsten: Matthew Halpin (sax), Simon Seidl (p), Hendrika Entzian (b), Fabian Arends (dr).
Mehr über die Musiker und die CD Pivot findet man im Pressematerial von TRAUMTON Records …
„Schon die Besetzungsliste zeigt, dass sich in Hendrika Entzians Quartett etwas getan hat. Verglichen mit
dem Debüt Turnus von 2015 ist ein Viertel der Band neu, namentlich Matthew Halpin. Allein der Wechsel
des Saxophonisten ist aber nicht für den Namen der aktuellen Produktion verantwortlich.
„Pivot meint den Punkt, an dem sich etwas dreht oder ändert“, erklärt Hendrika Entzian, „was für mich ein gutes Bild für die Spielweise des Quartetts ist. Grundsätzlich stellen die Kompositionen Grundgerüste dar, die von jedem
Musiker in die eine oder andere Richtung gelenkt werden können.“
Auch ihre Art zu schreiben hat sich seit Turnus verändert, stellt die 32 Jahre alte Musikerin fest. Durch verschiedene Kollaborationen, die neue musikalische Einflüsse mit sich brachten, und natürlich durch ihr Masterstudium Jazz-Komposition und -Arrangement.
Ein Detail kam zum anderen und so entwickelte Entzian für Pivot eine Klangvorstellung, zu der Matthew Halpin ideal passt. 1991 in Dublin geboren, hat er zunächst an der Royal Irish Academy of Music, von 2009 bis 2013 am Berklee College in Boston studiert, unter anderem bei Joe Lovano und John Patitucci. Zwischenzeitlich wirkte er zwei Jahre lang unter Danilo Perez am Performance-Programm des Berklee Global Jazz Institute mit. Seitdem wohnt er der Liebe wegen hauptsächlich in Köln, 2015 veröffentlichte er mit der Sängerin Veronika Morscher ein Album, für das abwechselnd Kit Downes und Pablo Held am Flügel saßen.
Daneben hat Matthew Halpin immer wieder mit Fabian Arends und Simon Seidl gespielt, längst sind die
drei befreundet. Fast unausweichlich ergaben sich auch Jamsessions zu viert, mit Hendrika Entzian am
Bass, die schließlich in die Umbesetzung von Entzians Quartett mündeten.
Das gleichermaßen elegante wie pointiert kraftvolle Spiel des jungen, weltgewandten Tenor-Saxophonisten begeistert die Bandleaderin, doch das ist es nicht allein. „Sein Sound und seine Energie können die Band an die Hand nehmen und lenken. Außerdem hat Matthew viel Humor und Witz, in der Musik und im Alltag.“
Als Komponistin und Produzentin ist Hendrika Entzian auf gute Stimmung bedacht. Hellwach und konzentriert bewahrt sie den musikalischen Überblick, andererseits liegt ihr daran, nicht im Stil eines Kapitäns von der Brücke herab Kommandos zu geben. Ihre Kompositionen sind recht kurz gehalten und bieten absichtlich viele Möglichkeiten, in Interaktionen etwas daraus zu machen.
„Wir spielen weiterhin keine frei improvisierte Musik, sondern improvisieren über Strukturen, die Songs ähneln“, konstatiert Entzian. Alle beteiligen sich an den Arrangements, indem sie eigene Ideen oder improvisatorische Impulse einbringen. Sämtliche Titel von Pivot wurden vor der Aufnahme bereits in Konzerten ausprobiert, aber nicht komplett ausformuliert.
Auch im Studio sorgte das Quartett für eine Live-Situation. „Wir standen richtig dicht zusammen, so dass nachträgliche Korrekturen in einzelnen Spuren nicht mehr möglich waren“, erzählt Entzian, „der Take war der Take, oder es sollte eben der nächste sein. Während der zwei Studiotage haben wir vieles ausgelotet, Stücke auf unterschiedliche Weisen gespielt und gemeinsam Spannungsbögen entwickelt. Dabei hat sich wieder die enorme Spielfreude und Flexibilität der Band gezeigt.“
Wie Hendrika Entzian, die ihren Master mit einem Bigband-Programm abschloss, haben ihre Partner die
Studienzeit inzwischen hinter sich.
Fabian Arends gehört trotz seiner gerade mal 27 Jahre zu den viel gefragten und weithin beachteten Drummern, wurde beispielsweise schon letztes Jahr mit einem einstündigen Feature im Deutschlandfunk gewürdigt. Arends spielte u.a. mit Lee Konitz, Marc Copland und Hubert Nuss und trat bei Festivals wie Jazz Baltica, Moers, Elbjazz u.a. auf. Nach diversen Produktionen als Sideman sowie im Trio Last Chance Dance (mit Halpin und David Helm), veröffentlichte Arends kürzlich unter seinem Namen das Album Levitate (mit Wanja Slavin, Seidl und Helm).
Simon Seidl, Jahrgang 1988, ist gleichermaßen in Klassik- wie Jazzklavier geschult. Mehrfach wurde er ausgezeichnet, etwa 2012, als er den 1. Platz beim Steinway Förderpreis Jazz belegte. 2016 erschien unter seinem Namen die CD Miradouro des 2011 von ihm gegründeten Trios mit Robert Landfermann und Fabian Arends.
„Ich mag Musik, die Raum hat“, sagt Hendrika Entzian, „in den Stücken von Pivot ist insgesamt mehr Zug
drin, teilweise sogar eine Art zeitgenössischer Swing. Gleichzeitig kann die Musik ruhig sein und atmen,
auch über lange Strecken.“
Das Spektrum ist größer geworden, von lyrischen und nuancierten Passagen bis hin zu energischen Momenten. „Manchmal darf es auf die Mütze geben“, meint Entzian lachend, um sich gleich darauf aber entschieden von protzigen Muskelspielen zu distanzieren. Darin bleibt sich die selbstbewusste Bassistin treu, ebenso mit der Konzentration auf akustische Klänge. „Ich stand schon immer auf die unmittelbare Ausstrahlung handgemachter Musik, ohne elektronische Effekte oder ähnliches.“ Unbeirrt von Trends und Moden entwickelt das Hendrika Entzian Quartett auf Pivot einen lebendigen und direkten, persönlichen und zeitlosen Charakter.“